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Kapitel 4
Was die Kamera zeigt
Schwenken
Wir klettern mit der Handycam auf eine Leiter und zeigen unseren Zuschau
ern im Überblick ein Fußballfeld. Mit atemberaubender Geschwindigkeit
schwenkt die Kamera zum Elfmeterpunkt und verfolgt den Abschuss. Der
nächste Schwenk begleitet die Flugbahn des unhaltbaren Balls ins gegneri
sche Tor – und zum Sieg. Kein Moment dieser spannenden Situation entgeht
den Zuschauern.
So entstehen Aufnahmen vom Altherrenfußballmatch, die auch nach Jahren
jeden Betrachter in ihren Bann ziehen. Die Kamera ist ein Teil des Gesche
hens. Sie spielt mit – wenn wir uns trauen – und vorher ein wenig üben.
Die Kamera in Aktion zu versetzen, ist reizvoll und zugleich voller Risiken.
Die »bewegte« Kamera entspricht nicht unseren üblichen Sehgewohnheiten.
Zum Erkennen eines Bildes braucht das Auge in Zusammenarbeit mit dem
Gehirn eine gewisse Zeit. Schnelle und weiträumige Veränderungen des
Blickfelds bringen diesen Prozess sehr schnell an seine Grenzen. Das häufi
ge und viel zu schnelle Schwenken mit der Kamera gilt deshalb zu Recht als
»Schönheitsfehler« der Kameraführung, ist aber gerade bei Videoanfängern
häufig zu beobachten. Der verbreitete Hang zum Kameraschwenk entspringt
der Vorstellung der Analogie zum menschlichen Sehen, weiträumige Objek
te mit nur einer Einstellung erfassen und abbilden zu können. Leider unter
scheiden sich auch in diesem Fall Kamera und Auge. Menschliches Sehen
nutzt für das Betrachten einer weiträumigen Umgebung unterschiedliche
Strategien.
Beim Blick auf eine Landschaft – Totale – bewegen wir weder den Kopf noch
die Augen. Wir genießen den weiten Blick als Ganzes. Einzelheiten »überse
hen« wir, nehmen sie nicht bewusst wahr.
Wollen wir bei gleicher Blickposition Einzelheiten erkennen – eine entfern
te Anhöhe, einen Kirchturm oder ein Fahrzeug, das die Landschaft durch
fährt –, konzentrieren wir unsere Wahrnehmung gezielt und nacheinander
auf die jeweils ausgewählten Einzelheiten.
Leider verfügt die SuperCam in unserem Smartphone nicht über die Fähig
keit der selektiven Wahrnehmung. Ein Mangel, den Videomacher beim Dre
hen durch den Griff in den Werkzeugkasten der Bildgestaltung umgehen: